erfolgreicher Eilantrag gegen die Sanktionierung eines Schulkindes

Man stelle sich vor, es ist Dezember bzw. Weihnachten 2011, und eine 16-jährige Schülerin, Tochter einer alleinerziehenden 'Aufstockerin', ist optimistisch, 2013 ihr Abitur machen zu können - doch da ist Hartz IV und das Jobcenter, vor dem die Mutter und "erwerbstätige Arbeitslosengeld II-Bezieherin" ihr Kind bewahren will:

Am 5. Dezember wurde die Schülerin zum siebtenmal innerhalb von 9 Monaten vergeblich vom Jobcenter unter Sanktionsdrohung vorgeladen, diesmal auf den 27. Dezember, trotz Widerspruch und Eilantrag gegen jede der vorausgegangenen Vorladungen und einer 10 %-Sanktion vom 27.7.2011, die 2 Tage nach Einreichung des Eilantrages beim Sozialgericht, am 4.8.2011 zurückgenommen wurde (die Rücknahmeerklärung des Jobcenters gegenüber dem Sozialgericht können Sie hier einsehen). Der Vorladungsgrund auch diesmal: Die Bearbeiterin will (oder soll) mit der Schülerin (zwei Jahre vor dem Abitur) über ihre berufliche und persönliche Situation sprechen. Wegen dem vorausgegangenen Nichterscheinen zu zwei Terminen verschickte der Bearbeiter des Jobcenters am 22.12.2011 ein 'Anhörungsschreiben', in dem er die Schülerin damit bedrohte, die Dezember-Zahlung zurückzufordern und ab Januar alle weiteren Zahlungen zu stoppen, bis sich die Schülerin persönlich im Jobcenter gemeldet habe. Die Vorladung auf den 27. Dezember, das 'Anhörungsschreiben' sowie die weitere Vorladung können Sie hier einsehen.

Eine Antwort auf dieses 'Anhörungsschreiben' wartete der Bearbeiter gar nicht ab, wie das der Sinn eines Anhörungsschreibens ist, sondern verschickte am selben Tag, dem 22. Dezember, sozusagen als Weihnachtsgeschenk, einen Änderungsbescheid, in dem er wider besseres Wissen Ortsabwesenheit der Schülerin unterstellte und sie vollständig aus dem Bewilligungsbescheid der 'Bedarfsgemeinschaft' bzw. ihrer Mutter strich. Mit gleicher Weihnachtspost verschickte er einen 10%-Sanktionsbescheid wegen Nichterscheinen zum vorausgegangenen Termin. Dieser Sanktionsbescheid war wegen der mit dem Änderungsbescheid erfolgten Totalsanktionierung zunächst gegenstandslos, denn mehr als tot kann man nicht sein, sollte aber aufleben, sobald die Schülerin sich im Jobcenter zur Aufhebung der Totalsanktionierung persönlich gemeldet hatte. Zur Sanktionierung gehörte auch, dass der Schülerin die Busfahrkarte zur Schule gestrichen wurde. Diesen Ablehnungsbescheid verschickte der Bearbeiter am 16. Januar, um den Druck weiter zu erhöhen. Als Begründung steht in dem Ablehnungsbescheid, dass die Schülerin zu 2 Terminen "der Arbeitsvermittlung" nicht erschienen sei, weshalb das Jobcenter von ihrer Ortsabwesenheit und damit fehlenden Anspruchsberechtigung ausgehe. Diesen Ablehungsbescheid sowie den Änderungsbescheid und den Sanktionsbescheid können Sie hier einsehen:  3 Sanktionsbescheide

Gegen diese Sanktionen wurde beim Sozialgericht ein weiterer Eilantrag eingereicht. Ein solcher Eilantrag setzt einen Widerspruch gegen jeden Sanktionsbescheid voraus. Diese Widersprüche wurden zur Verminderung des Arbeitsaufwandes in den Eilantrag integriert, der dem Jobcenter vom Gericht zugeschickt wird, so dass das Jobcenter nicht behaupten kann, es habe die Widersprüche nicht erhalten. Der Eilantrag traf am 17.1.2012 beim Sozialgericht ein, und nur einen Tag später, am 18.1.2012, erklärte das Jobcenter dem Gericht per Fax um 13.33 h die Rücknahme der Totalsanktionierung.

Gegen den Richter war zuvor u.a. wegen Verweigerung von Prozesskostenhilfe ein Befangenheitsantrag eingereicht worden, der am 30.12.2011 zurückgewiesen wurde. Jetzt hatte er zwar durch einen Anruf beim Jobcenter bewirkt, dass die Totalsanktionierung sofort zurückgenommen wurde, weil sie - vorsichtig ausgedrückt - juristisch absolut unhaltbar war, setzte nun aber als grundsätzlicher Befürworter der Hartz-IV-Sanktionen die Antragstellerin seinerseits unter Druck: Am 11.1.2012 bestimmte er in einem Verfahren, in dem die Mutter dagegen geklagt hatte, dass Schulkinder unter Sanktionsdrohung ins Jobcenter vorgeladen werden, einen Erörterungstermin (d.h. Gerichtstermin unter Anwesenheit des Jobcenters und Ausschluss der Öffentlichkeit) auf den 24. Januar, zu dem er nun seinerseits die Schülerin mit ihrer Mutter vorlud, als ob ein Gerichtstermin wegen dem Jobcenter für das Schulkind besser wäre als eine Vorladung ins Jobcenter. Die Terminsbestimmung kann hier eingesehen werden. Diese Vorladung des Schulkindes ins Gericht grenzt an Sadismus angesichts der Begründung der Klage gegen die Vorladung von Schulkindern ins Jobcenter. Die Mutter wollte das Beste für ihr Kind, was bedeutet, dass es sich nicht als Hartz-IV-Kind fühlen sollte. Der Grundschullehrer Philipp Möller, Autor des Buches "isch Geh Schulhof" z.B. sagte in einem Interview am 5.6.2013 gegenüber dem österreichischen Standard: "Hartz IV ist ein Stigma. [...] ich sehe, wie sich das unter den Kids herumspricht, wenn jemand Hartz-IV-Eltern hat. Das ist noch schlimmer als schwul sein, ..." Aus diesem Grund sagte sie ihrer Tochter die ganze Zeit über nichts von den Vorladungen ins Jobcenter, und nun kam ihre Vorladung ins Gericht. Mit dieser Vorladung wurde sie vom Sozialgericht, bei dem sie Schutz vor dem Jobcenter gesucht hatte, richtig in die Pfanne gehauen. Damit sie keinen Anwalt zu Hilfe nehmen konnte, verschob der Richter die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausdrücklich auf nach dem Gerichtstermin (ein diesbezügliches Schreiben ist unter dem Link "Rücknahme" mit angehängt) und sabotierte damit die Parteirechte der Schülerin.

Was das Jobcenter mit der Schülerin und ihrer Mutter getan hat, ist eine Form der Folter. Die Sanktionspraktiken dieser Behörde sind reiner Faschismus und werden als solches in Deutschland überwiegend gedeckt (Neben dem anerkannten Rechtsfaschismus und dem bestrittenen Linksfaschismus gibt es seit 2005 zu allem Überfluss nun auch noch den geleugneten Hartz-IV-Faschismus der Mitte). Damit das Jobcenter seiner Willkür zur Einschüchterung der Leistungsempfänger weiterhin freien Lauf lassen kann, werden Urteile gegen diese Praktiken vermieden. Ein Anruf des Richters beim Jobcenter genügt, damit die Folterwerkzeuge für einen Moment zurückgezogen werden und der Richter sagen kann, da nicht mehr gefoltert wird, besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis, also weist er die weiteren Anträge ab und vermeidet ein Urteil, das Vorbildwirkung gegen das Jobcenter entfalten könnte und dessen Einschüchterungspotenzial und Willkür eindämmen würde. So weit ist die Dekadenz der politischen Justiz in Deutschland mittlerweile gediehen - und die Staatsanwaltschaften machen da keine Ausnahme, wie Sie unter dem Menüpunkt "Strafanzeige gegen das Jobcenter" sehen können. Dass Gerichtsentscheidungen eine vorbeugende Wirkung haben sollen, wird nur gegen die Erwerbslosen ausgelegt, nicht gegen die Hartz-IV-Behörde. Dazu passt ein Interview der Tageszeitung "junge Welt" vom 26.8.2013 mit Rechtsanwalt Jens Kadner unter dem Titel: "Das hat mit Rechtsprechung nicht viel zu tun" (als Dokument, oder als Link): http://www.jungewelt.de/2013/08-26/050.php

'Wo kämen wir denn hin', wenn die Gerichte rechtswidriges Verhalten von Behörden feststellen würden? Wozu sind die Richter denn in einem beamtenähnlichen Dienstverhältnis und unterliegen einem Streikverbot, wenn nicht, um sie auf Regierungskurs zu halten, egal ob dieser gegen die Grundrechte verstößt oder nicht? Die richterliche Unabhängigkeit, wie sie im Grundgesetz steht, wird nicht als Unabhängigkeit gegenüber der Regierung ausgelegt, wie es im Sinne der Gewaltenteilung wäre, sondern als Unabhängigkeit gegenüber den Menschenrechten, über deren Verletzung seitens der Regierung zu urteilen der Gesetzgeber mit Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht  vorbehalten hat. Doch wer arbeitet in diesem Verfassungsgericht? Abgesehen von dem Stab fleißiger Beamten, die in der Beamtenhierarchie ihren Dienst tun, werden die Richter nach Art. 94 GG zur Hälfte vom Bundesrat gewählt, also von Regierungsmitgliedern der Länder, zur anderen Hälfte vom Bundestag, also von der Mehrheit, die auch die Regierung stellt. Wo soll da Platz für Unabhängigkeit gegenüber der Regierung sein und für eine Rechtsprechung, die primär an die Wahrung der Menschenrechte gebunden ist? Deutschland muss doch regierbar bleiben, was verstanden wird als: Deutschland muss doch unterdrückbar bleiben, und dazu müssen alle Behörden zusammenhalten und sich mit den Medien zusammentun, wie es kennzeichnend ist für einen führungsstarken Faschismus. Zu den Verbrechen unter Hartz IV gibt es nicht einmal einen Untersuchungsausschuss, weil viel zu wenig von den Details an die für Hartz IV eingenommene Öffentlichkeit dringt, nicht zuletzt dank der Gerichte, allen voran das Bundesverfassungsgericht, das Zwang gegen Empfänger von Arbeitslosengeld offenbar ebensowenig als grundrechtswidrig ansieht, wie die Regierung und die Mehrheit im Bundestag. Ist das verwunderlich, bei dem ausgeklügelten Rechtsverweigerungssystem, das den Bürgern hierzulande als Rechtsstaat verkauft wird? Zwang bleibt jedoch eine Menschenrechtsverletzung, erst recht wenn die Gerichte ihn unterstützen!

Woher das deutsche Rechtsverweigerungssystem kommt, steht im letzten Eintrag unter Literatur auf dieser Website. Diese Form der Justiz ist schlimmer als die Nazi-Justiz, denn Nazi-Richter konnten sich darauf berufen, dass ihre gewählte Regierung die Grundrechte offiziell außer Kraft gesetzt hatte, während die heutigen Richter sich mit ihrem Berufseid zur Wahrung der Menschenrechte verpflichtet haben, mit denen sich die Regierung brüstet. Deshalb ist jeder Richter, der Hartz-IV-Sanktionen und die Drohung damit unterstützt, persönlich verantwortlich für die Verletzung von Menschenrechten. 

Wie die Geschichte der Schülerin weiterging? Noch bevor das Jobcenter die Totalsanktionierung ihrer Tochter zurücknahm, ist die Mutter am 17. Januar unter dem Druck zusammengebrochen und hat einen Selbstmordversuch begangen, an dessen Folgen sie bis heute leidet. 

Selbst in ihrem Abschiedsbrief an ihre Tochter sagte die Mutter nichts vom Jobcenter, sondern gab sich die Schuld an ihrem Versagen. Das Jobcenter hatte es wieder einmal geschafft, einen Menschen zu brechen. 

 

Da kommt es wie gerufen, dass in Hamburg eine Fallmanagerin für unter 25-Jährige den Mut hat, die Menschenrechtsverletzungen in den Jobcentern anzuprangern. In ihrem Offenen Brief an die KollegInnen der Jobcenter vom April 2013 schrieb Inge Hannemann z.B.: "Warum erzählt ihr mir als Sozialpädagogen, dass nur mit Druck und Geldentzug die Erwerbslosen an den Tisch kommen? Habt ihr nicht im Studium gelernt, dass Druck Gegendruck erzeugt? Dass Druck, vor allem wenn die Existenz bedroht ist, zu Ängsten und zu schwersten Depressionen führt. Und gerade die darauffolgende Depression macht es einem Menschen unmöglich zu agieren. Sie verkriechen sich in ihren eigenen vier Wänden. Es fehlt die Kraft zum Aufstehen und Licht in die Seele zu lassen. Dieses Gefühl ist so mächtig, dass sie dann lieber das reduzierte Geld in Kauf nehmen. Ein Teufelskreis entsteht. Allerdings nur beim Betroffenen. Wie reagieren wir als Jobcenter? ... Fünfzehn Minuten Administratives gegen ein Leben." 

Ein ausführliches Interview mit Inge Hannemann ist auf ihrer Internetseite unter: http://altonabloggt.wordpress.com/2013/04/18/hartz-iv-gewollte-armut-inge-hannemann-im-gesprach/

Wie viele Leben müssen noch draufgehen, wie viele Familien zerstört werden, bis diese kriminelle Politik beendet wird? Warum haben nicht längst Ärzte, Psychologen, Psychiater auf die gesundheitlichen Folgen von Sanktionen in das Existenzminimum hingewiesen, wenn schon der Rechtsstaat versagt? Ist es, weil sie Profiteure der Menschenrechtsverletzungen sind, weil diese Politik ihnen Patienten in die Arme treibt und damit vordergründig Arbeit, Einkommen und Ansehen sichert? Der Psychoanalytiker Wilhelm Reich jedenfalls schrieb 1948 in seiner Rede an den kleinen Mann (S. 90 der Ausg. 2010): "Eines Tages entdecktest du, dass man mit der kranken menschlichen Seele viel Geld verdienen könne. Man hat nur einen seelisch Kranken einige Jahre täglich für eine Stunde kommen und einen bestimmten Geldbetrag zahlen zu lassen. Da, genau da, und nicht früher, begannst du an die Existenz einer Seele zu glauben." Wer ärztliche/therapeutische Dienstleistungen in Anspruch nimmt, leistet einen Beitrag zur Steigerung des Bruttosozialprodukts (das ist der Geldwert aller erzeugten Güter und in Anspruch genommenen Dienstleistungen), an dem die sog. Wirtschaftskraft eines Landes gemessen wird. Anstatt die Ursachen einer Krankheit aufzuzeigen und zu bekämpfen, was zu einem Rückgang der Patientenzahlen führen und damit Arbeitsplätze gefährden würde, wird zusätzlich der Konsum von Pharmazeutika angeregt, mit denen Menschenrechtsverletzungen leichter hingenommen werden. Die Regierung verbindet mit jeder Steigerung des Bruttosozialprodukts höhere Steuereinnahmen, und die, nicht die Grundrechte, sind zum Maß aller Dinge geworden.

Erst wenn die Verletzung von Menschenrechten keine Aussicht auf Profit mehr bietet, werden die Menschen in ihren Grundrechten geschützt sein. Erreicht wird das letztlich durch ein neues Geldsystem, das auf den Menschenrechten gründet und Profit auf Kosten von anderen erübrigt. Dass ein solches Geldsystem keine Utopie ist, sehen Sie unter "Die 7. Petition" im Menü dieser Internetseite. Die Einführung eines solchen Geldsystems ohne Banken (GOB) wird der größte Befreiungsschlag aller Zeiten. Jeder kann inzwischen dazu beitragen, dass die Regierung sich eine Rentabilität ihrer Menschenrechtsverletzungen nicht länger einzureden vermag. Die Steigerung des Bruttosozialprodukts fragt nicht danach, auf wessen Kosten sie erfolgt, die Rentabilitätsrechnung aber muss danach fragen.

letzte Änderung: 26.8.2013